25. November 2022

Ein Umzug an einen anderen Ort bringt immer viel «Räumungsverkauf». Gleichzeitig die Absicht, am neuen Ort eine neue oder zumindest eine bessere Ordnung zu haben.

Das direkt Sichtbare und Anfassbare lässt sich relativ gut organisieren. Aber auf meinen diversen externen Festplatten und spontan zugelegten Speichermedien haben sich Tausende Text-, Bild- und Videodateien angesiedelt.

Beim «Durchforsten» bin ich logischerweise auf viel Material zum Thema Holz gestossen. Logisch, nach dem über zweijährigen Projekt des Holzkohle-Buches. Dabei wieder ins Bewusstsein gerückt sind mir drei Künstler, die sich tiefgründig mit Wald, Holz und Zeit befasst haben. Drei ganz unterschiedliche Biografien auch.

 

Steine, Wasser, Gras – und urbane Gefühle

Eine Skulptur, die je nach Blickwinkel eindeutig ein Boot darstellt. Mit einer Oberfläche wie fließendes Gewässer © Foto HWR

 

Ich mache einen Sprung, respektive wechsle weiter flussabwärts über die Johanniterbrücke auf die linke Rheinseite. Von dort zum St.-Johanns-Park, um den neuen Rheinweg unterhalb des Novartis-Campus zu entdecken. Kurz zuvor erblicke ich einen Stein, eine Skulptur von Shen Lieyi.

Den Künstler hatte ich nicht gekannt und auch nicht die Hintergründe zu diesem als «Barke» oder «Zhou» benannten Werk. Eine Tafel davor klärt auf: Städte-Partnerschaft zwischen Basel-Stadt und Shanghai. Zum fünfjährigen Bestehen dieser Beziehung wurde 2012 die Skulptur geschenkt (in Shanghai steht dafür ein Basiliskenbrunnen).

Im gleichen Jahr als die Partnerschaft zwischen den beiden Städten begründet wurde, hatte das Architekturbüro Hager & Partner einen Wettbewerb gewonnen, um den «Elsässerrheinweg» von der Dreirosenbrücke bis an die Landesgrenze zu gestalten.

Wasser, Steine, Ferngefühle

Könnte einfach eine Schutzmauer gegen Überschwemmung sein. Ist aber mehr – viel mehr als Beton und Kalksteine aus Süddeutschland © Foto HWR

 

 Dort, wo die Kelten vor rund 2000 Jahren eine blühende Siedlung hatten und Novartis im Laufe der Jahre verschiedenste «Architektur-Höhepunkte» errichtete, wird das Pharmaziegelände gegen den Rhein hin durch eine mehrfach geschwungene Mauer abgegrenzt.

Vom St.-Johanns-Park aus gelangt man unter der Dreirosenbrücke hindurch zu dieser Uferweg-Anlage. Der Rhein fliesst stoisch. Für die Rheinschiffahrt mit Touristenschiffen nach Strassbourg/Wiesbaden/Koblenz/Köln/Rotterdam legen sich renommierte Köche ins Zeug – ich bin hier wie alleine zwischen all diesen Mauern und dem Fluss.

 

Steine, Wege, Endstationen

Ein Wehrgang? – Ein Labyrinth? – Eine Friedhofsmauer gar? – Nichts von alledem: ein Zugang zum Novartis-Campus © Foto HWR

 

Der «Elsässerrheinweg» hat an diesem Tag fast ohne Menschen eine eigenartige Ausstrahlung. – Er erinnert mich an eine Festung. An die Mauern und Wehrgänge von Bellinzona. Man könnte sich dazu unterirdische Gänge vorstellen, Geschütz-Stellungen und Wachtpatrouillen.

 

Steine, Paläste, Abgrenzungen

Über der obersten Mauerkurve lugt der Novartis-Event-Pavillon hervor. Ein hochtechnisierter Rundbau des Designers Michele de Lucchi © Foto HWR

 

Auf dem Rückweg noch eine Nische, die ich übersehen hatte. Unter der so romantisch klingenden zweistöckigen Dreirosenbrücke, am Fundament unter den ersten Bögen, haben sich Randständige oder Obdachlose einquartiert. – So nah und so unerwartet war mir eine solche Situation nie vor Augen gekommen.

Urbane B&B-Alternativen

Zunächst scheint es wie Gerümpel, einfach «entsorgt». Doch hier unter der Brücke kommen andere Sorgen zusammen © Foto HWR

Und der Rhein fliesst weiter. Immer neues Wasser, keine Welle wie die andere. Noch einmal betrachte ich die Skulptur von Shen Lieyi, die sowohl Wellen als auch Barke in sich vereinigt. –

Sicher unterwegs sein, gleichzeitig im Fluss und immer wieder gespannt auf Neues: wenn das kein Motto für den späten Herbst ist … panta rhei – alles fließt – sagten die alten griechischen Philosophen; oder tatsächlich Heraklit? Egal, es fließt, ganz gleich wer etwas gesagt hat oder wer hinschaut oder ob überhaupt jemand hinschaut.

Dem Fluss ist es gleich, aber das Auge, das die Bewegung des Flusses bewusst wahrnimmt, kann den Menschen zu ganz neuen Gedanken anregen.

Das Gefühl von Fluss, in festem Stein

Welle und Stein, Natur und Gestaltung, Festes und Fließendes – Nichts ist starr, alles in Schwingung © Foto HWR