27. Oktober 2014

Menschen sind merkwürdige Wesen. Sie mögen es nicht, wenn sie angestarrt werden. Sie mögen es, wenn man sie anschaut, und sie mögen es gar nicht, wenn man über sie hinwegschaut.

An einem Symposium in Bern konnte ich dazu treffliche Beobachtungen anstellen. Die Rednerinnen und Redner waren durchwegs ausgewiesene Spezialisten (sonst hätte man sie wohl nicht eingeladen).

Witzig, wenn eine Anekdote passt.

Witzig, wenn eine Anekdote passt. Noch besser, wenn sie frei erzählt werden kann *


Aber wie so oft: von etwa acht Persönlichkeiten, die ihr Wissen weitergaben, waren es zwei, die mit ihrem Vortrag haften blieben.

Weil sie in ihrem Wissen sattelfest waren und gleichzeitig im Moment des Vortragens beim Publikum waren, mit der Zuhörerschaft zusammen den Vortrag erlebten.

Was macht denn nun den Unterschied? Es sind Kleinigkeiten. Im schlimmsten Fall die Summe der Kleinigkeiten.

Das «tragische» Beispiel zuerst. Eine ausgewiesene Radiomoderatorin, blitzgescheit, beredt, belesen. Ihr Vortrag war auf Fallbeispielen aufgebaut. Die Beispiele hätten als Filmclips beweisführend sein sollen.

Hätten, sollten – die Technik und der Techniker vor Ort liessen es nicht zu. Technische Pannen, das soll es geben.

Bei der Referentin zeigten sich daraufhin zwei Reflexe: erstens sprach sie als Radiofrau ungehemmt weiter, ununterbrochen, egal was – ja keine Pausen.

Zweitens: sie klammerte sich an ihr Skript. Mit verkrampften Fingern sozusagen. Aber auch die Augen waren nicht mehr bei der Sache. Hilfesuchend huschten sie übers Papier. Oder der Blick ging hoch schweifend übers Publikum – als könne sie aus dem Dunkel dort oben einen unsichtbaren Souffleur herunterbitten.

Ins fortwährende Reden eingeschoben: spitze, ironische Bemerkungen an die Technik, die schlechte Beleuchtung im Saal und dass sie halt dies und jenes hier nicht zeigen könnte.

Das Gegenteil, ein Referent, der schon nahe bei Otto Waalkes war. Er sprach frei, er bewegte sich, er suchte den Kontakt zum Publikum, er hielt Augenkontakt. Langer, begeisterter Applaus am Ende.

Selbst der letzte Referent, der ein Manuskript ablas, machte daraus einen eindrücklichen Vortrag. Weil er immer wieder frei gesprochene Passagen und Beispiele aus seiner Praxis einschob. Und eben: weil er sehr oft die Zuhörenden anschaute, sie direkt ansprach.

Als Redenschreiber und «Manchmalcoach» ging ich angeregt nach Hause. Angeregt, meinen Klientinnen und Klienten immer mehr Anmerkungen zu Mimik, Gestik – Pausen – und Blickkontakt mitzugeben.

Es bleibt immer dasselbe: ein offener, freundlicher Blick ist die beste Schiene, auf der die Informationen ins Hirn und Herz des Zuhörers gleiten.

* Anmerkung: Dieser Beitrag ist nicht aus besagtem Symposium.