23. November 2014


Ich meine nicht meine Partnerin. Ich meine auch nicht meine alte Swatch-Uhr. Ich meine die riesige, über sieben Meter Durchmesser große Uhr kurz nach Bern.

Ich fuhr in Richtung Interlaken zu einem Symposium. Mit dem Zug natürlich. Sonst hätte ich das Ding wohl kaum gesehen. Und ich hätte mir auch keine überflüssigen Gedanken darüber gemacht.

Vor einem modernen Gebäude, gekennzeichnet mit einem SBB-Logo, fiel mir im Vorbeifahren eine hellrosa ausgebleichte LED-Scheibe auf. Und dann setzte es sich in meinem Hirn zusammen. Aha, eine der typischen SBB-Bahnhofuhren.

Als wäre es ein richtiges Ticken

Als wäre es ein richtiges Ticken – Warum so tun als ob?

Aber warum haben die hier keine schöne Mechanik hingestellt, gesteuert dann schon irgendwo mit Elektronik, selbstverständlich, von wegen Ganggenauigkeit und so? Warum aber hier so ein Getue, mit springenden Zeigern, als sei es «echt»? Wenn schon, dann richtig digital, mit Wischtechnik und einer iPad-Idee dazu?

Ich war in Fahrt. Gedanklich, mit meinen Notizen und mit einem Reiseziel. Ich wollte dieses Thema, dieses «So-tun-als-ob» – wie zum Beispiel auch den Papierpblättereffekt bei E-Books – später für einen Blog-Beitrag aufbereiten.

Auf der Rückfahrt kam ich wieder an besagter Uhr vorbei. Den Kopf voll mit anderen Themen aus dem Symposium. Noch einem anregend-brillanten Vortrag von Richard David Precht nachhängend hätte ich den Moment fast verpasst. Doch auf dem Zifferblatt hatte sich etwas merkwürdig bewegt. Die Zeigerstriche formten sich zu einem Herz.

Nicht gerade originell, schoss es mir durch den Kopf. Mein Blog-Beitrag würde sehr spitz enden mit dem Satz «Je mehr digitale Herzchen, desto weniger Herzblut im richtigen Leben» – oder so ähnlich.

Zuhause wollte ich nur noch genau wissen, wie gross diese Uhr sei und wo sie genau stehe, eventuell wer das Ding verbrochen hatte. Google sei dank, tat ich das noch rechtzeitig.

Ich erfuhr zum Beispiel, dass Apple Computer 20 Millionen an die SBB überwiesen haben soll. In einem «geheimen Lizenzvertrag» festgehalten, für die Verwendung der SBB-Originaluhr auf dem iPad.

Ich erfuhr, dass die SBB bereits vor über vier Jahren in Aarau die größte Bahnhofuhr Europas montieren liess, mit einem Durchmesser von neun Metern. Ich erfuhr, dass die eingangs erwähnte Riesen-Uhr bei Bern-Wankdorf «in der Größenordnung von 700'000 Franken» liegen soll und bei John Lay Solutions in Littau LU entwickelt wurde.

Und ich erfuhr, oh Wunder, dass die SBB genau für diese Uhr einen Zifferblatt-Clip-Wettbewerb ausgeschrieben hat. Bis Ende Jahr kann ich also beweisen, dass digitale Zifferblätter auch witzige Botschaften transportieren können.



Noch rechtzeitig recherchiert. Und trotzdem dem Zeitenlauf hinterher.

Noch rechtzeitig recherchiert. Und trotzdem dem Zeitenlauf hinterher.

Nur ist mein Witz zurzeit ein wenig kleinlaut. Nachdem Richard David Precht in seinem Vortrag erklärt hatte, dass die nächsten 20 Jahre so einschneidend seien wie jene im 19. Jahrhundert bei der zweiten industriellen Revolution. Da habe also gerade ich als «mittelloser Mittelständer» wenig zu Lachen…

Was noch zu sagen bleibt. Die Zeit geht irgendwie an mir vorbei.

Für alle, die noch Zeit für so was haben:
http://www.sbb.ch/sbb-konzern/ueber-die-sbb/die-sbb-marke/mitderzeitspielen.marketingurl_%2524%2524%2524mitderzeitspielen.html